SCHICK, SCHÖN, SCHOCK! – Was emotionales Marketing mit uns macht
Drei Jahre ist es mittlerweile her, dass Einkaufsmarkt und Tankstelle die Zigarettenschachteln mit dem Schockeffekt führen. Mit Ekelbilder vom Rauchen abhalten scheint jedoch zu funktionieren. In den Aufzeichnungen das Statistischen Bundesamtes konnte ein Rückgang im Konsum und den Steuereinnahmen von Zigaretten aufgezeichnet werden. Um Konsumverhalten abzugewöhnen funktioniert der Schock also. Doch kann Schock, zum Beispiel in der Werbung, auch zur Konsumsteigerung genutzt werden?
Warum überhaupt Schock?
Die Antwort ist ja! Wie das funktioniert? Ganz einfach: Was zählt ist Aufmerksamkeit! Gemäß dem wohlbekannten AIDA-Grundsatz zur Konzeption einer erfolgreichen Werbung (Attention, Interest, Desire und Action), brauchen Marketing-Aktivitäten zunächst einen aufmerksamkeitserregenden Faktor, um überhaupt aus der Informationsflut der Medien herauszustechen. Da der Medienkonsument immer resistenter gegenüber humoristischen und erotischen Medienreizen geworden ist, bewegen sich die Werbetreibenden immer häufiger auf einem schmalen Grat zwischen Originalität und moralischer Verwerflichkeit.
Was macht das Shockvertising mit uns?
Um dies zu erklären, greife ich den Urgroßvater der Schockwerbung auf: Die Benetton Group, oder besser bekannt unter dem Handelsnamen United Colors of Benetton. Bereits in den 90er Jahren lösten sie mit ihrem Shockvertising breite gesellschaftliche Diskussionen aus und mussten sich vor Gericht mehrfach für ihre Werbeinhalte rechtfertigen. In seinen Motiven greift Fotograf Oliviero Toscani auf emotionale Katalysatoren wie Ekel, Mitleid, Angst, Tabus und Gewalt zurück, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen. Nach den Gesetzmäßigkeiten der Aktivierung springt das menschliche Auge sofort auf diese negativen Reize an. Erst diese Aktivierung der Rezipienten ermöglicht die Informationsaufnahme und somit auch die bewusste Aufnahme von Werbebotschaft und der dahinter verborgenen Marke.
Wieso funktioniert das Shockvertising?
Dass eine emotionale Ansprache und Bildlastigkeit in der Werbung meist erfolgreicher ist, als die Überzeugung durch Fakten und Argumente, ist schon längere Zeit bekannt. Der Schlüssel zum Erfolg des Shockvertisings ist jedoch das sogenannte sensation-seeking. Jeder Mensch besitzt ein individuelles Erregungsniveau. Ist dieses Niveau durch fehlende Spannung und Ereignisse in der eigenen Lebenswelt zu niedrig, so versucht das Unterbewusstsein dieses Erregungsdefizit wieder auszugleichen. Das bedeutet, dass auch diese negativen Emotionen positiv gedeutet werden, wenn dadurch das eigene Erregungsniveau wiederhergestellt werden kann. Prinzipiell geht es dabei also um einen reinen Unterhaltungsfaktor, auch genannt Negativismus.
Was bringt Shockvertising dem Unternehmen?
Kuss von Papst Benedikt XVI. mit dem ägyptischen Iman
Wie am Beispiel Benetton zu sehen ist, entfernt sich die Werbung dadurch vom eigentlichen Markenkern. Was hat politische , religiöse und gesellschaftliche Kritik mit Mode zu tun? Besonders vor dem Hintergrund, dass das Verknüpfen der eigenen Marke mit negativen Assoziationen einen erheblichen Imageschaden für das Unternehmen bedeuten kann. Doch in den Zeiten des information-overload und Social Media ist Aufmerksamkeit das Einzige, das Ziel Nummer eins. Je absurder, je verrückter und eben auch je schockierender der Content ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von Viralität. Die Werbung wirkt als Katalysator für die automatische Weiterverbreitung, ohne, dass das Unternehmen dafür einen Finger krumm machen muss. Der Bruder erzählt es der Schwester, die der Freundin und die wiederum der Cousine zweiten Grades und so weiter… Am Beispiel Benetton zu sehen, konnte das Unternehmen dadurch einen Unternehmenszuwachs von ganzen 15% erzielen, obwohl es damals noch keine Teilen-Buttons oder Weiterleitungs-Funktionen gab. Marketing ist also definitiv eine Macht, die es (richtig umgesetzt) schaffen kann, ausschlaggebend für Umsatz, Gewinn und Erfolg eines Unternehems zu sein.
Ist es nun moralisch verwerflich soziale Missstände für die eigenen wirtschaftlichen Zwecke zu instrumentalisieren? Ist es dumm, einen Imageschaden zu riskieren? Oder ist es mit dem richtigen Fingerspitzengefühl ein Marketing-Geniestreich und ein Zeichen für gesellschaftliches Bewusstsein der Marke?
Was sagt ihr? Ich freue mich auf eure Meinungen in den Kommentaren!
Noch nicht genug?
Die Huffington-Post hat eine Bildergalerie von aktuellen und vergangenen Schockkampagnen zusammengestellt. → weiterlesen
In einem Interview erklärt der Benetton-Fotograf Oliviero Toscani das Phänomen seiner Schockwerbung. → anschauen
Armstrong, Jon Scott. Werbung mit Wirkung: Bewährte Prinzipien überzeugend einsetzen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2011.
Kotler, Ph., G., Armstrong, V., Wong, J., Saunders. Grundlagen des Marketing. München: Pearson Studium, 2011.
Kroeber-Riel, Werner, Franz-Rudolf Esch. Strategie und Technik der Werbung: verhaltens- und neurowissenschaftliche Erkenntnisse. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2011.
Lischka, Juliane. Schockierende Werbung: Erfolg bei erlebnisorientierten Konsumenten. München: Fischer, 2006.
N.N.. „Verkaufen ist Emotionsmanagement“. perspektive-blau.de. 04.05.2017. http://www.perspektive-blau.de/artikel/0510b/0510b.htm.
Sugget, Paul. „Get To Know, and Use, AIDA!“. advertising.about.com. 04.05.2017. http://advertising.about.com/od/successstrategies/a/Get-To-Know-And-Use-Aida.htm.
Willnauer, Markus. „Viral & Buzz Marketing – nicht umsonst“. marketing-boerse.de. 04.05.2017. http://www.marketing-boerse.de/Fachartikel/details/Viral–Buzz-Marketing-%96-nicht-umsonst/33099.